ÖPNV – Rückgrat oder Bandscheibenvorfall für Westfalen!?

Unter dem Titel „ÖPNV – Rückgrat oder Bandscheibenvorfall für Westfalen!?“ haben der Verkehrsverband Westfalen e.V. und der Westfalen e.V. mit dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, Oliver Krischer und 150 Gästen auf der heutigen Veranstaltung am Dienstag, 24. Januar im Hause der IHK zu Dortmund diskutiert. Eine Aufzeichnung des Livestreams steht (ab 26.01.) unter www.ihk.de/dortmund/oepnvwestfalen zur Verfügung.

Die heutige Veranstaltung knüpft an die „baugleiche“ Veranstaltung vor fast einem Jahr an, wo es noch allgemein um das „PLUS für mehr Mobilität in Westfalen“ ging. „Bereits im letzten Jahr habe ich den ÖPNV als das Rückgrat der Verkehrswende bezeichnet und es war für uns schnell klar, dies auch zum Thema der Folgeveranstaltung zu machen“, beschreibt Manfred Müller, Vorsitzender des Westfalen e.V. die Beweggründe der beiden Veranstalter.

Stefan Peltzer im Gespräch mit Minister Oliver Krischer Foto: Verkehrsverband Westfalen e.V/ Schaper

„Für mich wurde in der Veranstaltung deutlich, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden können. Deshalb darf das Ziel eines besseren ÖPNV-Angebotes nicht aus den Augen geraten. Für Westfalen wünsche ich mir von unserem Verkehrsminister, dass der westfälische Bedarf sich nicht hintenanstellen muss, wenn innerhalb des Landes die notwendigen Prioritäten gesetzt werden“, formuliert Müller sein Fazit.

Der Vorsitzende des Verkehrsverbandes Westfalen, Marc Simon dabei rückt die Infrastruktur in Westfalen in den Vordergrund. Der aktuelle Leitfaden seines Verbandes für die Integration urbaner Seilbahnen in den ÖPNV sollte ein Impuls sein, über den Tellerrand hinauszuschauen. „Der Wunsch nach einem besseren ÖPNV lässt sich nicht allein mit dem Scheckbuch lösen. Die Verkehrsinfrastruktur schafft langfristig die notwendigen Voraussetzungen für mehr Mobilität“, bringt Marc Simon sein Fazit auf den Punkt. Der Verkehrsverband Westfalen e.V. hat einen Schaden von mindestens 1,8 Milliarden Euro durch die Sperrung der A 45 in Lüdenscheid ermittelt. „Das zeigt, wie dramatisch sich fehlende Erreichbarkeit für die Wirtschaft und die Bevölkerung auswirkt. Gleichzeitig sieht man daran aber auch das Potenzial, wenn Gewerbegebiete bessere Anbindungen erhalten“, so Simon weiter.

Der Projektleiter Zielnetzplanung SPNV für NRW aus dem internationalen Beratungsunternehmen SMA & Partner, Florian Zumklei ordnete die anstehenden Veränderungen im Schienennetz für die Erreichbarkeit in Westfalen ein. Er kam zu dem Ergebnis, dass der sog. Deutschlandtakt eine spürbare Verbesserung auch für den SPNV bedeute. Konkrete Verbesserungen ließen sich an Projekten wie dem sog. Sauerlandnetz 3.0, dem Knotenausbau Hamm- Dortmund oder S-Bahnnetz Münsterland festmachen. Die Planungen zeigten aber auch die Hausaufgaben im Schienennetz auf.


Darstellung: Florian Zumklei, SMA & Partner

In der Diskussion zeigte sich nicht überraschend die Finanzierung des ÖPNV als Schwerpunktthema. Joachim Künzel, Geschäftsführer des NWL, konnte berichten, dass der ÖPNV aufpassen müsse, entgegen allen politischen Beteuerungen zum Klimaschutz und eigener Pläne zur Verkehrswende aktuell nicht eher den Rückwärtsgang einlegen zu müssen. Vor allem die zurzeit in weiten Teilen nicht vorhandene mittel- bis langfristige Finanzierungsperspektive sei eine Bedrohung für die Weiterentwicklung und sogar für den Erhalt des heutigen Systems. In Zeiten der Einführung eines Deutschlandtickets wäre dies den Menschen kaum vermittelbar. Dr. Martin Klein, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags NRW, nannte als Untergrenze des Finanzbedarfs für Westfalen-Lippe einen jährlichen Zusatzbetrag von 200-300 Millionen Euro, um ein Mindestmaß an Angebotsausweitungen realisieren zu können. (Dies gelte über die politisch vereinbarte Steigerung der Regionalisierungsmittel hinaus).

von links: Stefan Peltzer, Anja Fischer, Dr. Martin Klein, Joachim Künzel Foto: Verkehrsverband Westfalen e.V/ Schaper

Anja Fischer, Vizepräsidentin der IHK zu Dortmund und Busunternehmerin, erweiterte die Diskussion. Zum einen leide der ÖPNV unter einer Bürokratielast auf allen Ebenen und warb für mutige Schritte. Beispielsweise würde der Verzicht auf die Bargeldannahme in Bussen Kosten und Zeit sparen, stehe aber aufgrund des Widerstandes von Fahrgästen überhaupt nicht zur Diskussion. Zum anderen stellte sie die Frage, ob die verschiedenen politischen Ziele sich nicht gegenseitig behindern würden. In Dortmund plane das Umweltamt bereits Tempo 10 zum besseren Lärmschutz. Das bremse auch Busse und Stadtbahnen und senke die Attraktivität des ÖPNV. Die Verfügbarkeit und die Praxiserfahrungen von und mit von E- oder H2-Bussen bremse einen schnellen und verlässlichen ÖPNV-Ausbau.

Internes Umstiegspotenzial nach Analyse im LWL; Darstellung: LWL

Der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen, Dr. Georg Lunemann betonte zum einen die Verantwortung der öffentlichen Hand als Arbeitgeber. Für die Vorbildfunktion sei es unverzichtbar, in die stärkere Nutzung des ÖPNV bei den eigenen Belegschaften zu investieren. Zum anderen erlebe der LWL bei seinen vielfältigen Einrichtungen von den Kliniken, den Jugendhilfe-, aber auch den Kultureinrichtungen die hohe Bedeutung einer ÖPNV-Anbindung für die gesamtgesellschaftliche Teilhabe. Die Aufzeichnung der Veranstaltung finden Sie hier.

Organisatoren und Referenten des Abends Foto: Verkehrsverband Westfalen e.V/ Schaper